Glückspielstaatsvertrag 2021: die neue Gambling-Steuer verstößt gegen EU-Recht

Am 1. Juli tritt nun endlich der neue Glückspielstaatsvertrag in Kraft, der Online-Gambling in allen deutschen Bundesländern übergreifend legalisiert. Er enthält nicht nur strenge Richtlinien was Nutzerkonten und Einzahlungslimits betrifft, vorgeschlagen ist auch eine deftige Steuer von 5,3 % bis zu 8%, die derzeit wiederum auf heftige Kritik stößt. Gewarnt wird vor einer erneuten ungewollten Abwanderung der Spieler in den nicht regulierten Markt, wie auch vor einem Verstoß gegen das EU-Gesetz.

Ein neuer Glückspielstaatsvertrag war überfällig, denn die bestehende Gesetzeslage war aufgrund der Popularität von Online-Casinos einfach nicht mehr zeitgemäß. Der nicht-regulierte Markt,  laut Stand 2019 vornehmlich zusammengesetzt aus privaten Sport- und Pferdewetten (59%), wie auch in großen Teilen (23%) aus Online-Casinos, Online-Zweitlotterien (16%) und Online Poker (3%) wuchs im Vergleich zum staatlich regulierten Markt immer stärker an, zulasten staatlicher Lotterien und lizenzierter Casinos. Gigantische Summen flossen dabei ins Ausland ab, denn wenngleich Online-Gambling in Deutschland bisher nicht legal war, meldeten sich begeisterte Zocker einfach bei Anbietern an, deren Server in Malta, Gibraltar oder der Isle of Man stehen – wo das Glücksspiel im Internet schon lange absolut legal ist. Nachteilig war dies natürlich auch hinsichtlich Versteuerung der Gewinne, wenn der Bund keine Gelder aus der zunehmenden Spielleidenschaft schöpfen konnte. Einzig Schleswig-Holstein ging bisher einen Sonderweg und vergab begrenzte Lizenzen an Online-Anbieter. Eine übergreifende Regelung der Länder war demnach unumgänglich.

Der aktuelle Stand der Dinge: Der Bundesrat übergab die Gesetzesvorlage an den Bundestag, eine Zustimmung ist zu erwarten. Mit Inkrafttreten des neuen Staatsvertrags kommen jedoch strenge Richtlinien für die Lizenzvergabe wie auch zum Jugendschutz und Schutz vor Spielsucht. Jeder Anbieter muss sich zum Anlegen von Nutzerkonten verpflichten, eine Gemeinsame Glückspielaufsichtsbehörde der Länder wird vor allem für Poker Online und Automatenspiele zuständig sein und sowohl die exakten Verfahrensrichtlinien wie auch die Antragsformulare mit Inkrafttreten am 1. Juli veröffentlichen. Gewarnt wird derzeit vor einer Überregulierung, auch was die Auflagen für eine entsprechende IT-Struktur betrifft, die viele Anbieter abschrecken könnte. Auch der Wettbewerbsdruck wird enorm sein, denn jeder Spieler darf Plattform übergreifend nur 1.000 Euro im Monat einbezahlen. Zudem soll im Bereich Online-Poker und Automatenspiele eine heftige Steuer eingeführt werden: gefordert sind derzeit 5,3% für Poker und 8% für Online-Slots.

Eine Online-Umfrage der Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia wies auf einen daraus resultierenden Effekt hin, der die Effektivität des neuen Glückspielstaatsvertrags erheblich in Frage stellen könnte: es sei mit einer weiteren Abwanderung vom regulierten in den nicht regulierten Markt zu rechnen. Beispielsweise würde die Auszahlungsquote bei Automatenspielen von 96% auf 90% absinken, während nicht regulierte Plattformen weiterhin 96% anbieten und bewerben können.

Eine Studie zur „Nutzung von  Online-Casino und Online-Poker in Duldungs- und Regulierungsphase“ ergab, dass derzeit 73% bis 75% der Nutzung auf Angebote entfallen, die sich schon jetzt an die geplanten Regulierungen halten, 25-27% entfallen aktuell auf non-konforme Angebote. Marktsimulationen innerhalb der Studie ergaben jedoch, dass mit Einführung der drastischen Steuer dieser Anteil konformer Nutzung um mehr als 30% sinken würde, mit lediglich 51% Nutzung lizensierter Angebote. Dazu kommt, dass unter dem neuen Staatsvertrag lizenzwillige Online-Casinos seit Oktober 2020 bereist keine Black Jack- und Roulette-Spiele anbieten dürfen, die jedoch weiterhin bei nichtregulierten Anbietern zu finden sind. Auch Bonus- und Freispiele sind nicht gesetzesgemäß – weshalb lizenzierte Online-Casinos das Nachsehen gegenüber denen haben werden, die weiterhin mit diesen reizvollen Promotionen locken können.

Neben der abzusehenden erneuten Abwanderung vieler Spieler in den nicht-regulierten Markt, um Steuerabzüge zu umgehen, verstößt eine derartige Besteuerung zudem gegen das EU-Recht.

Die European Gaming and Betting Association (EGBA) bezeichnet die hohe Steuer als „strafend“ gegenüber dem Online-Angebot, da sich dadurch ein erheblicher Vorteil für stationäre Casino-Angebote im Vergleich zum Online-Sektor ergäbe, der weitaus stärker besteuert würde. Die Steuerquote variiert bei stationären Angeboten zwar je nach Bundesland, ein Fallbeispiel für Bayern ergab jedoch, dass Online-Poker und Slots fünf Mal höher besteuert würden als stationäre Casinos und sogar 15-mal höher als Slot-Maschinen in Arkaden. Konkret würde sich daraus laut Goldmedia einen Gesamtunterschied in der Steuerlast von 293,9 Millionen Euro ergeben, wobei traditionelle Automaten mit 178,1 Million Euro den größten Vorteil hätten.

Der Steuervorteil für die stationären Anbieter wäre damit ein klarer Verstoß gegen die EU-Beihilfevorschriften, die untersagen, dass Online-Angeboten ein Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu stationären Angeboten entsteht. Die EGBA kündigte bereits an eine Beschwerde bei der EU-Kommission einzureichen, wenn der Staat an der unfairen Besteuerung festhält.

Weniger als einen Monat vor Inkrafttreten des neuen Glückspielstaatsvertrags ist demnach noch Vieles ungeklärt, zumal nun Zweifel aufkommen, ob die deutsche Legalisierung von Online-Glückspiel überhaupt die Ziele erfüllen kann, die der Entscheidung zugrunde lagen. Die Reglementierung könnte nicht nur zu streng sein, sondern eben auch die Richtlinien der EU verletzen. Statt mehr Spieler zu staatlich lizenzierten Angeboten zu locken, könnte das Gegenteil der Fall sein und immer mehr Zocker in den nicht-regulierten Markt abwandern, wo nicht nur Steueranteile entfallen, sondern auch das Angebot weitaus breiter und verlockender ist. Die Anbieter im Ausland werden weiterhin verlockende Willkommensboni und Freispiele anbieten. Während nach dem neuen Glückspielstaatsvertrag in lizenzierten Online-Casinos auch die Zahl der Tische beschränkt ist und auf Roulette und Black Jack verzichtet werden muss, werden diese beliebten Spiele im nicht-regulierten Markt weiterhin möglich sein. Während die konformen Anbieter unter dem wachen Auge der staatlichen Aufsichtsbehörde um die 1.000 Euro Eizahlungslimit pro Monat rangeln müssen, können die Gambler zudem bei den nicht-konformen Anbietern um weitaus höhere Summen zocken. Gerade das Automatenspiel wird absolut unattraktiv, wenn im geregelten Bereich ganze 8% Steuern anfallen – weshalb damit zu rechnen ist, dass diejenigen Anbieter, die sich an die neuen Regelungen halten, deutliches Nachsehen haben werden.

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